Worte zum Abschied von Ivo Kania

Herr Bischof, Brüder im priesterlichen Dienst, Schwestern der Gemeinschaft Societas sororum Jesu, Brüder und Schwestern in der Kirche Christi. Ich danke euch allen sehr, dass ihr eine so würdige Verabschiedung von meiner leiblichen Schwester vorbereitet habt, und ich glaube, dass dieser Abschied nur ein einfacher menschlicher Ausdruck ist, dass Marta mit uns lebt und wir mit ihr in einer Gemeinschaft. Ich möchte vielleicht nur ein paar Realien wiederholen.

Marta wurde in eine tief gläubige Familie geboren. Schon das war ein großes Geschenk. Sie wurde in eine zahlreiche Familie geboren. Mama hatte neun Kinder. Marta war die fünfte und vor ihr waren nur Brüder, sodass hier vielleicht diejenigen fehlten, mit denen sie sich verstand. Aber Marta konnte das sehr schön lösen und war imstande, Kontakte mit ihresgleichen und auch mit im Grunde Älteren zu knüpfen. Sehr gern fuhr sie zur Oma und besuchte sie. Und was wichtig war, dass diese Formation, die sie durch die familiäre Erziehung erhielt, dann auch während der Mittelschulstudien bekam. Sie besuchte ein kirchliches Gymnasium, bis die Kommunisten es auflösten. Danach trat sie ins klassische Gymnasium über, sodass wir eine Zeit lang vier Geschwister dort studierten. Es wurde ihr erlaubt, die Matura zu machen, was nicht ganz selbstverständlich war, in meinem Fall z.B. wurde es nicht erlaubt.

Marta suchte ständig ihren Platz, wie der Dichter sagen würde, den Platz an der Sonne. Die Gelegenheit frei ihren Stand, ihre Berufung zu wählen, bot sich ihr im Jahr 1968 an, als sie sich entschied, die Republik zu verlassen und in die Fremde zu fahren. Zuerst war es England, zuletzt Österreich und Deutschland. In England in London  traf sie Pater Lang, der dort das Zentrum für katholische Christen, genannt Velehrad, leitete; dadurch konnte sie auch andere kennenlernen, großteils Emigranten, Christen.

Unter anderem nutzte sie die Möglichkeit des Aufenthaltes in London und später in Oxford um ihre Studien zu ergänzen. Aber selbstverständlich waren die Ansprüche an sie sehr hoch. Auf einmal befand sie sich wie nie zuvor in einer Fremde, die unserer Mentalität völlig fremd war, sie musste ihre Existenzweise finden usw. Ich sage das deshalb, weil sie weiter tief gläubig war, sie glaubte, dass der Herr sich um sie kümmert. Ein Ausdruck dafür war, dass sie Arbeit fand, zuerst als Pädagogin, später als Erzieherin und endlich auch als Sekretärin der humanitären Organisation Kirche in Not, die kurz nach dem Krieg entstanden war und sich der Beseitigung oder Linderung der Not derer widmete, die vom Krieg geschädigt waren. Sie arbeitete als Sekretärin und war für den Fernen Osten zuständig.

Selbstverständlich begleitete sie Hand in Hand die Frage, wie mit ihrem Leben umzugehen, wozu der Herr sie berufe, was der Sinn ihres Lebens sei. Und immer mehr und mehr näherte sie sich der Erkenntnis, dass Gott sie zum geweihten Leben ruft. Aber die Umsetzung war immer irgendwie ohne konkrete Erfüllung. In dieser Zeit erlebte sie eine Phase tiefer Unsicherheiten und des Fragens. Sie war sich aber ständig dessen bewusst, was einzig ihr Leben erfüllen könne, und das ist eigentlich auch in der heutigen Lesung erklungen, wo wir gehört haben: Keiner von uns lebt sich selber und keiner stirbt sich selber. Leben wir, so gehören wir dem Herrn, sterben wir, so gehören wir dem Herrn. Das war ihre Sicherheit. Sie wusste, dass ihr Leben nur erfüllt sein kann, wenn es ein Leben für die anderen ist.

Die Erfüllung dieser grundsätzlichen Lebensidee erhielt sie durch die Einladung von P. Robert Kunert, der 1981 die Gemeinschaft der Schwestern Jesu gründete, von denen wir heute viele auf der rechten Seite der Kathedrale begrüßen können. Sr. Marta wurde die erste Vorgesetzte dieser Gruppe von Schwestern Jesu, die eigentlich als Ableger des Jesuitenordens entstanden ist. Sie hatte schon während unseres Aufenthaltes in Prag zu den Jesuiten sehr nahe und später auch in Brünn.

Ich möchte darauf hinweisen, was mich in ihrem Leben am meisten angesprochen hat. Es war eine tiefe Verankerung des Lebens in Christus. Ihn fragte sie, und wenn sie eine Antwort bekam, die sie oft nicht verstand, wusste sie, dass sie ein geliebtes Kind Gottes ist und dass Gott sie nie verlässt. Für mich war sie ein Vorbild der völligen Ergebenheit, der Hingabe an den Willen Gottes, sie war ein Vorbild dieser Lebenshaltung. Auch wenn sie oft nicht allzuviel Anlass hatte zum Lachen, zur Freude, so war sie immer freudig und immer bereit jedermann und uneigennützig zu helfen. Ich bin dankbar dafür, dass sie meine Schwester war und dass sie mir ein Vorbild war gerade in der Fröhlichkeit des Lebens, in der Hingabe an den Willen Gottes.

Ich glaube, dass sie ruhig mit dem abschließenden Gedanken Ähnlichkeit haben konnte, den die hl. Therese von Lisieux (sie starb 1897) aussprach, als ihre letzten Worte waren: Ich sterbe nicht, ich trete ins Leben ein. Und ich glaube, dass das auch ihre Botschaft für uns ist, dass wir uns bewusst werden, dass sie nicht gestorben, sondern in ein anderes Leben eingetreten ist, weil sie die Einladung des Herrn gehört hat: Treue Dienerin des Herrn, geh ein in die Freude deines Herrn.

Euch allen danke ich dafür, dass ihr sie begleitet habt, auch hier an diesen feierlichen Ort, dass die Schlussphase an die Liturgie anschließt, an die Eucharistie, die nach dem II. Vatikanischen Konzil der Gipfel des kirchlichen Lebens ist. Ich danke euch für diese wunderbare Gemeinschaft. Und selbstverständlich danke ich sehr den Schwestern aus Zeyerova. Ich bin dankbar dafür, dass ich sie kennengelernt habe und dass ich mir immer, wenn ich von ihnen weggegangen bin, vorgekommen bin als ob ich vom Paradies weggehe.