Das Lebenzu einem Geschenkder Liebe machen
Papst Franziskus veröffentlichte noch in der Gemelliklinik in Rom am 19.3.2025 seine Botschaft zum 62. Weltgebetstag für geistliche Berufungen.
„Die Berufung ist ein kostbares Geschenk, das Gott in die Herzen sät, ein Ruf, aus sich selbst herauszugehen um einen Weg der Liebe und des Dienens einzuschlagen.“
In dieser unserer Zeit fühlen sich viele junge Menschen im Blick auf die Zukunft verloren. Oft sind sie unsicher, was ihre beruflichen Perspektiven angeht, und noch grundlegender erleben sie eine Identitätskrise, die eine Sinn- und Wertekrise ist und durch die digitale Verwirrung noch schwerer zu überwinden ist (…)
Und ihr jungen Menschen seid gerufen, dabei die Hauptrolle zu spielen, oder besser gesagt, sie zusammen mit dem Heiligen Geist zu spielen, der in euch den Wunsch weckt, das Leben zu einem Geschenk der Liebe zu machen (…)
Und dann wollen wir herausfinden, auf welche Weise, in welcher Lebensform wir die Liebe erwidern können, die er uns zuvor geschenkt hat.
Jede Berufung, die in der Tiefe des Herzens wahrgenommen wird, lässt die Antwort als inneren Drang zur Liebe und zum Dienen, als Quelle der Hoffnung und der Liebe aufkeimen und nicht als Suche nach persönlicher Bestätigung (…)
Die Entdeckung der eigenen Berufung geschieht auf einem Weg der geistlichen Unterscheidung. Dieser Weg ist nie ein einsamer Weg, sondern er entsteht innerhalb der christlichen Gemeinschaft und gemeinsam mit ihr.
Liebe junge Menschen, die Welt drängt euch zu voreiligen Entscheidungen, dazu, eure Tage mit Lärm zu füllen, und hindert euch daran, eine Stille zu erfahren, die offen ist für Gott, der zum Herzen spricht. Habt den Mut, innezuhalten, in euch hineinzuhören und Gott zu fragen, was er sich für euch erträumt. Die Stille des Gebets ist unerlässlich, um den Ruf Gottes in der eigenen Geschichte „lesen“ und eine freie und bewusste Antwort geben zu können.“
Und wie kann sich das Abenteuer, eine Berufung zu erkennen und zu verwirklichen, im konkreten menschlichen Leben entfalten? Zum Beispiel so:
Die Freude der Berufung
Meine Wartezeit in der Gemeinschaft der Schwestern Jesu begann am 15.1.2013. Diesem Tag waren mehr als drei Jahre der Suche nach Gottes Plan für mein Leben vorausgegangen. Während meines Studiums an der Uni begann ich eine Art Leere zu spüren, die ich nicht erklären konnte. Ich hatte alles – eine liebevolle und glückliche Familie, Freunde und ich konnte tun, was mir Spaß machte. Und doch fehlte ständig etwas. Ich hatte das Bedürfnis mehr zu beten, und ohne dass ich es merkte, begann Gott langsam, in diese Leere einzudringen. Die Stimme Gottes berührte mich sehr intensiv bei einer der jährlichen Wallfahrten der Pfarre, als ich Psalm 45 sang: „…Höre, Tochter, sieh her und neige dein Ohr, vergiss dein Volk und dein Vaterhaus. Der König verlangt nach deiner Schönheit; er ist ja dein Herr, verneig dich vor ihm!“
Seitdem habe ich Gottes Ruf immer intensiver gespürt und nach einem Studienaufenthalt im Ausland Anfang 2012 war ich beinahe davon überzeugt, dass ein Leben im Dienste Gottes das sein könnte, wonach ich ständig suchte. Ich wusste bloß überhaupt nicht, in welche Ordensgemeinschaft der Herr mich rief. Also habe ich Folgendes in Google eingegeben: weibliche Ordensgemeinschaften in Tschechien. Als erstes erschienen die Seiten der Gemeinschaft der Schwestern Jesu. Der Name gefiel mir sehr gut, also besuchte ich die Seite. Als ich las, dass die Gemeinschaft jungen Menschen hilft, ihre Berufung zu erkennen, war das für mich eine klare Einladung. Ich nahm meinen Mut zusammen und schrieb eine E-Mail an die angegebene Adresse. Zu meiner Freude erhielt ich schon bald eine Antwort mit der Einladung, ein langes Wochenende bei der SSJ zu verbringen. Ich nahm die Einladung an und fuhr schließlich, mit einiger Unsicherheit und Bedenken, was ich eigentlich tun und suchen würde.
Auf den ersten Blick hat mich die Gemeinschaft nicht besonders angesprochen. Ich fühlte mich nicht in sie berufen. Es war ein bisschen trostlos und leer und ich war eher traurig und enttäuscht. Kurz vor der Abreise bot Sr. Olga auch ein Gespräch mit Sr. Marie, der damalige Generaloberin, an. Dieses Gespräch werde ich wahrscheinlich nie vergessen. Es hat sich tief in mein Herz eingebrannt, weil es mein Leben völlig verändert hat. Ich weiß nicht, was es genau war, aber ich habe dabei eine starke Berührung von Gott gespürt und mir war auf einmal völlig klar: Gott ruft mich in diese Gemeinschaft und ich sage völlig glücklich ja. Alles andere verlor gleichsam seine Bedeutung und nur Gott war wichtig. Es ist die Gnade eines Augenblicks, die Gott gibt, damit man „Ja“ sagen kann, und zugleich etwas, in das man ein Leben lang hineinwächst. Bei dreitägigen Exerzitien einen Monat später bestätigte Gott der Herr seine Einladung, ihm auf Schritt und Tritt nachzufolgen.
Im Mai 2013 trat ich in die Gemeinschaft ein, nach dem Noviziat legte ich im November 2015 meine ersten Gelübde und in einigen Jahren ewigen Gelübde ab.
Die Berufung ist ein riesiges Geschenk. Ein unverdientes Geschenk, das nicht mir gehört, ich bin wirklich nur ein kleines Instrument. Meine Berufung gehört allen. Sie soll ein Zeugnis und ein Spiegelbild der unendlichen Liebe Gottes für den Menschen sein. Und ich sehne mich sehr danach, dieser Strahl zu sein, der Leben schenkt, der durch die Dunkelheit leuchtet, der dem Leben Sinn und Fülle gibt.
Die Grundlage der Berufung zu einem Gott geweihten Leben besteht darin, bei Ihm zu sein. Allmählich, Schritt für Schritt sich selber aufgeben und Platz machen für Gott, damit er durch mich wirken kann, wie er will. Doch auch dieses Leermachen ist ein Werk der Gnade, es liegt außerhalb der menschlichen Möglichkeiten und kann in keiner Weise gemessen werden. Sinn und Ziel ist es, immer mehr auf Gott zu blicken. Dies verändert einen Menschen und macht ihn glücklich. Erst dann kann er nämlich über Gottes Liebe, Seine Schönheit und Sein völlig unfassbares Verlangen nach uns staunen. Dann kann er eigentlich nicht anders reagieren als mit völliger Selbsthingabe, die bloß eine Antwort der Dankbarkeit auf die Liebe Gottes ist.
Als Schwester Jesu habe ich in verschiedenen Bereichen gearbeitet, die es mir ermöglicht haben, mich selbst besser kennenzulernen, meine Beziehung zu Gott zu vertiefen und zu lernen, anderen zu dienen. Derzeit versuche ich gemeinsam mit drei anderen Schwestern, hierher im Pilgerhaus Velehrad in Rom für tschechische und slowakische Pilger ein Hinterland und Gastfreundschaft anzubieten. Es ist eine wunderschöne Aufgabe, die mir sehr viel Freude bereitet, wenn ich ein Vermittler der Liebe Gottes sein kann. Täglich lerne ich, dass es nicht auf Leistung und meine Fähigkeiten ankommt. Das will der Herr nicht von mir. Er möchte nur meine Antwort der Liebe, die sich konkret im Dienst an den Menschen ausdrücken soll.
Mich in der Gemeinschaft der Schwestern Jesu Gott zu weihen, macht mich sehr glücklich, denn es führt mich von neuem zu dem, warum und wozu ich geschaffen wurde. Ich wurde aus Liebe und für die Liebe geschaffen. Nur wenn ich selbstlos liebe, bin ich glücklich. Diese Sehnsucht ist tief im Herzen der Menschen verankert und jeder von uns ist eingeladen sie zu entdecken und Gott zu erlauben, sie zu erfüllen.
Sr. Lucie